Im September war es wieder soweit: drei Achterklassen haben den Schulalltag jeweils gegen einen Tag beim Bildungswerk Kolping eingetauscht.

Sechs Herausforderungen warteten, nein, eigentlich sieben, denn die Arbeitszeit von 8.45 Uhr bis 13.30 Uhr dort war streng durchgetaktet und, anders als in der Schule, gab es keine größeren Pausen. Durchhalten war also die erste Herausforderung.

 

Ein Regal bauen, die Disposition für einen Verkaufsladen planen, auch der Verkauf von Waren, das Traumhaus entwerfen, die Notfallversorgung eines Unfallopfers, und als letztes gar die Lösung eines Mordfalls: die Stunden gingen für die meisten wie im Flug herum.

 

Das eine gelang manchmal weniger gut als das andere - und manche oder mancher war erstaunt, an sich neue Talente zu entdecken: wer hätte gedacht, dass er oder sie einen Mordfall in Nullkommanichts lösen? Werden die jetzt alle Kriminalkommissare und Tatortfahnderinnen?

 

Die sogenannte "Potenzialanalyse" kann viel mehr leisten als das. Sie ist keine Berufsempfehlung, sondern vielmehr Ausgangspunkt für weitere bevorstehende Schritte in Richtung Berufsorientierung und Berufswahl.

 

Einen Vormittag haben die Jugendlichen Zeit, ihre fachlichen, methodischen, sozialen und personalen Fähigkeiten (Potenziale) an sich entdecken und sich selbst einzuschätzen, bevor eine Woche später in der Nachbesprechung durch die Beraterinnen und Berater abgeglichen wird, ob deren Fremdeinschätzung mit den eigenen Eindrücken übereinstimmt. Auch eine ganze Reihe Eltern haben die Chance genutzt, in diesen beratenden Gesprächen ihre Kinder vielleicht von einer ganz neuen Seite kennenzulernen und die ersten Herausforderungen einer, wenn auch simulierten, Arbeitswelt zu begleiten.

 

"In das Haus würde ich sofort einziehen!" meinte ein Vater, als er die Pläne in den Unterlagen seines Sohnes gezeigt bekam. Eine Schülerin hatte gar ein hauseigenes Kino eingeplant.

 

Unabhängig von gesellschaftlichen Rollenerwartungen konnte man sich darüber hinaus auch bei Gruppenaufgaben engagieren. Die Lösung eines Mordfalls, eine solche Teamaufgabe, war wohl die mit Abstand beliebteste Herausforderung.

 

Auch das Verkaufen machte vielen großen Spaß, manche kannten es ja schon von ihren schuleigenen Kioskdiensten. Dass eine ältere Dame mit dem Skateboard verunglückt war, ist nicht gerade eine Standardsituation im Alltag - trotzdem waren die Ersthelferinnen und Ersthelfer sofort mit Einsatz dabei. Bei manchen Aufgaben (Regalbau und Hausplanung) wurde leider gegenüber den Vorjahren der Zeitrahmen gekürzt: schade, dass die Jugendlichen darum nicht mehr bis zur vollendeten Umsetzung gelangen können.

 

Am Ende weiß wohl fast jeder und jede, dass er und sie sich mehr zutrauen dürfen und die Auswertung der beobachteten Fähigkeiten nach dem RIASEC-Modell zeigt deutlich den Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsmerkmal und möglicher Berufsorientierung:

 

Realistic - tun - Handwerklich-technische Orientierung

Investigative - denken - Untersuchend-forschende Orientierung

Artistic - gestalten - Künstlerisch-kreative Orientierung

Social - helfen - Erziehend-pflegende Orientierung

Enterprising - überzeugen - Führend-verkaufende Orientierung

Conventional - organisieren - Ordnend-verwaltende Orientierung

 

So bekamen die Schülerinnen und Schüler bereits jetzt für ihr im zweiten Schulhalbjahr bevorstehendes erstes Berufspraktikum wertvolle Hinweise auf Berufsbilder, an die sie zuvor oft noch gar nicht gedacht hatten. Wer bei den sechs Aufgaben durch führende Eigenschaften auffiel, bekommt Berufsvorschläge wie Immobilienkaufmann/-frau oder Servicefachkraft,  aber auch Fluglotse /-in oder Eventmanager/-in,

 

Und wofür werden sich die Schülerinnen aus der Hausbaugruppe am Dienstag wohl entscheiden, wenn sie auf Praktikumssuche gehen? "Das wissen wir noch nicht, aber auf jeden Fall was mit Menschen", ist der Wunsch der 14-Jährigen.

Wir sind gespannt! Das Potenzial dazu hätten sie auf jeden Fall.

(Gei)